Die Besonderheiten des Online-Schlagzeugunterrichts

Die Besonderheiten des Schlagzeugunterrichts online

Das Anpassen an die neue Unterrichts- und Lebenssituation in Zeiten der Ausgangsbeschränkungen hat mich veranlasst, mir sehr grundsätzliche Gedanken darüber zu machen, was hochwertigen Schlagzeugunterricht auszeichnet. Nach einigen Wochen Online-Unterricht habe ich nun auch einige Eindrücke und Ideen dazu angesammelt. Als erste Aufgabe stellte sich das Finden der passenden Plattform für Videokonferenzen. Ich mache es kurz: Zoom.us hat sich für mich als beste Variante herausgestellt hat. Die (technischen) Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Plattformen hat Oli Rubow in einem Blogpost gut zusammengefasst. Ein Grund warum ich Zoom bevorzuge ist der Sound, den der bereitet die nächste Herausforderung, die es bei Schlagzeunterricht online zu meistern gilt.

Hörst du mich?

Online-Videokonferenztools komprimieren bzw. reduzieren den Sound, der übertragen wird, auf den Frequenzbereich der menschlichen Stimme. Das macht Sinn und spart bei der Datenübertragung, kann bei Schlagzeugunterricht aber zu Schwierigkeiten führen. Auf Grund der Lautstärke und des großen Frequenzspektrums von Drumsets wird der Klang eines akustischen Schlagzeugs bei der Übertragung massiv beeinflusst. Bei E-Sets ist dies nicht ganz so schlimm, sofern man die Möglichkeit hat, das Laptop- oder Tabletmikrofon zu umgehen und den Sound des Sets direkt abzugreifen - diese Option haben allerdings die wenigsten meiner Schüler*innen. Genauso wenig habe sie die Möglichkeit, ihr akustisches Schlagzeug mit Mikrofonen durch ein Audio-Interface in den Computer zu schicken. Für dieses grundsätzliche Problem hat sich leider in den vergangenen Wochen auch noch keine einfach umzusetzende Lösung ergeben.

Siehst du das?

Wenn der Sound mal einigermaßen steht, sind das schon ganz gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Online-Schlagzeugstunde. Für mich als Lehrer ist aber auch wesentlich, mein Gegenüber zu sehen – im besten Fall nicht nur das Gesicht. Natürlich können Schüler*innen ihre Laptops, Tablets und Mobiltelefone so in Position bringen, dass ich auch ihre Hände sehen kann – Detailarbeit an Stickhaltung oder Bassdrumtechnik sind trotzdem nur bedingt möglich. Eine Idee, das zu umgehen, wäre mehrere Webcams zu besorgen, die Schüler*innen für den Zeitraum des gebuchten Unterrichts verwenden können, damit es auch für sie die Möglichkeit gibt, mehr als nur eine Kamera zu verwenden – was allerdings voraussetzt, das sie einen Laptop verwenden.

Ähm… Hallo?

Ich weiß nicht, ob es außschließlich an meiner Internetverbindung liegt, aber bei Onlinemeetings kommt es zu empfindlichen Zeitverzögerungen. Man fällt sich eher ins Wort weil sein Gegenüber doch noch nicht seinen Gedanken fertig formuliert hat und gemeinsames Schlagzeugspielen ist natürlich unmöglich. Um das hinzukriegen braucht es einfach ein bessere Internetanbindung. Ich habe allerdings auch noch andere Wege gefunden, um das Miteinander-Musik-machen zumindest zu simulieren: Ich habe Videos (oder Soundfiles) als Play-Alongs für meine Schüler*innen aufgenommen und sie gebeten dann von sich ein Video zu machen wie sie zu diesem Stück spielen. So haben wir es geschafft (zumindest virtuell) Duette zu spielen. Es hat sich herausgestellt, dass diese Videoaufnahmen bei vielen Schüler*innen zu einem konzentrierten Arbeiten beigetragen haben. Viele haben das Aufnehmen des Videos fast wie einen Auftritt behandelt und konsequent darauf hin geübt.

Schlagzeug? Habe ich gerade keines…

Wenn der Sound ok ist, die Kameraeinstellungen einigermaßen passen und die Internetgeschwindigkeit mitspielt, blieb oft noch eine Hürde für eine erfolgreiche Onlineschlagzeugstunde zu überwinden: das Instrumentarium. Einige Schüler haben ihr Schlagzeug in einem Proberaum, in dem es wenig bis gar keinen Internetempfang gibt oder haben weder ein Drumset noch ein Übungspad zu hause. Was also tun, wenn der Unterricht mit eingeschränktem Instrumentarium passieren soll? Eine Möglichkeit, dieses Hindernis zu umgehen, bot Body Percussion. Damit konnte ich mit Schüler*innen verschiedenste Rhythmen, Grooves, Koordinationsübungen und vieles mehr umsetzen. Für die jüngeren Schüler*innen habe ich auch auf unterschiedliche rhythmische Spiele, die auch sehr gut online funktionieren, zurückgeriffen. Diese boten mir zahlreiche Möglichkeiten, gemeinsam an Rhythmen zu arbeiten und auch neue zu lernen. Mit älteren und schon etwas weiter Fortgeschrittenen habe ich regelmäßig an ihren Fähigkeiten gearbeitet, selbstständig Grooves und Fills aus Stücken zu hören und zu transkribieren - damit sie, sobald wieder ein Schlagzeug in der Nähe ist, diese spielen können. In manchen Fällen mussten wir auf Garageband oder andere DAWs ausweichen um Beats zu programmieren – damit konnten wir das nicht nur das Notenlesen kreativ üben, sondern auch musikalisch arbeiten.

Was nehme ich aus dem Online-Unterricht mit?

Es haben sich also einige Ideen bei ergeben, die ich auch im analogen Unterricht umsetzen werde. An erster Stelle steht hier das einbinden von Videos. Vor allem für längerfristige Aufgaben wie dem Lernen einer neuen Technik oder eines schwierigen Stückes, aber auch für grundsätzliche Themen (Stickhaltung, Notenwerte) habe ich begonnen, Videos zu drehen, auf die Schüler*innen immer wieder zurückgreifen können. Auch das Programmieren von Beats wird Teil des Unterrichts werden. Ich denke, das könnte einige kreative und lustige Möglichkeit sein, das Lesen und Schreiben von Noten zu üben.

In den knapp zwei Monaten in denen wir durch die Ausbreitung des Virus Covid 19 mit Ausgangsbeschränkungen belegt wurden begnetet mir mehrmals folgendes Zitat von Max Frisch: "Eine Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen." Das ist natürlich leichter gesagt, als getan. In Bezug auf meinen Unterricht hat die notgedrungene Verlagerung ins Netz, aber für einige neue Ideen gesorgt.